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Wera Meyer-Waldeck
Bauhaus-Design für die Bundesschule

Wir wissen, dass neben Hannes Meyer und Hans Wittwer noch zahlreiche Bauhaus-Studierende an der Planung und Ausführung der Bundesschule beteiligt waren: Arieh Sharon, Hermann Bunzel, Lotte Beese, Thomas Flake, Konrad Püschel, ... um nur einige von ihnen namentlich zu erwähnen. Doch wenn wir ins Innere der Schule schauen, bleiben viele Fragen offen und die offensichtlichste davon ist: Wieviel Bauhaus steckt im Bauhaus?

 

Nach einigen Recherchen ist klar, dass auch für die Innenausstattung der Bundesschule — einem Schulungsort für Gewerkschaftsfunktionäre — ein Bauhäusler verantwortlich war, genauer: eine Bauhäuslerin, nämlich Wera Meyer-Waldeck. Ein Name, der bisher eher wenig Beachtung in der Literatur über Bauhausdesign fand. Meist zeichnen diese Bücher ein steriles Stahlrohrambiente vom Bauhaus nach — eine Rezeption, die die tatsächliche Vielseitigkeit von Bauhausmöbeln schlichtweg ignoriert und vermitteln will, dass es einen „Bauhausstil“ gab. Doch den gab es nicht, wie schon die Bauhäusler selbst wussten.


Aber zurück zu Wera Meyer-Waldeck und ihrer Aufgabe an der Bundesschule in Bernau-Waldfrieden. Während Meyer-Waldeck seit 1927 am Bauhaus unter der Leitung von Marcel Breuer eine Lehre zur Tischlerin macht, wird Hannes Meyer zum Direktor und damit zum Nachfolger des Bauhausgründers Walter Gropius ernannt. Mit ihm ändert sich einiges am Bauhaus: Frauen dürfen nun auch in der Bauabteilung studieren und sie werden nun ebenso wie ihre männlichen Kommilitonen als Wissenschaftlerinnen und Neuerinnen verstanden. Hannes Meyer sieht das Potential der Frauen und nutzt es für seine Idealvorstellung: Lehre am Bauhaus — Praxis am Bau.

 

Auch Wera Meyer-Waldeck nutzt die neugewonnene Flexibilität und beginnt am Bauhaus Architektur zu studieren. Eigens für die Fertigstellung und Betreuung der Bundesschule richtet derweil Hannes Meyer in Berlin ein Baubüro unter seinem Namen ein. Hier arbeitet auch Wera Meyer-Waldeck während eines Außensemesters als Möbeldesignerin für die Ausstattung der Bundesschule und der Personalwohnhäuser. Hannes Meyer bestätigt ihr die Anstellung im Baubüro vom 15. September 1929 bis zum 15. April 1930 in einem Brief vom 14. Juli 1930:

 

„während dieser zeit bearbeitete sie [Wera Meyer-Waldeck] für den neubau der bundesschule des allgemeinen deutschen gewerkschaftsbundes in bernau bei berlin den grössten teil der möblierung und des innenausbaus, sowie die gesamte inventarbeschaffung. unter leitung des unterzeichneten zeichnete sie insbesondere die ausführungspläne zur möblierung der schul- und bibliotheksräume, der gast- und personalzimmer, des speisesaales, der aufenthaltsräume und die einbaumöbel nebst normenküche für die 6 wohnhäuser der angestellten.“

Ob Wera Meyer-Waldeck allein oder im Team über die Ausstattung der ADGB-Bundesschule bestimmt hat, ist nicht überliefert oder aus Dokumenten nachvollziehbar. Auch die Frage danach, ob ihre Arbeit im Berliner Baubüro bezahlt wurde oder als Praxissemester durchgeführt wurde, ist nicht nachprüfbar. Weder ist ihr Name auf Entwurfsplänen der Bauhaus-Möbel für die Bundesschule zu finden noch erwähnt Hannes Meyer sie in Publikationen zur Bundesschule. Lediglich ihr Bauhaus-Diplomzeugnis und ein kopierter Brief von Hannes Meyer an Wera Meyer-Waldeck aus einem Konvolut zur Architektin im Bauhaus-Archiv Berlin belegen ihre Mitarbeit am Innenausbau der Bundesschule.

 

1932 legte Wera Meyer-Waldeck als erste Frau in Thüringen die Prüfung zur Tischlergesellin ab. Nach ihrer Zeit am Bauhaus, wo sie letztlich auch noch als Architektin einen Diplomabschluss mit dem Entwurf eines Kindergartens absolvierte (sie war gelernte Kindergärtnerin und wusste also um die Bedingungen und Erfordernisse), wurde sie erst Innenausstatterin (z. B. des Deutschen Bundestags in Bonn und des Bundeskanzleramtes), dann auch Architektin in Bonn und Kassel. Sie ging den Weg, den sie am Bauhaus begonnen hatte, bis zum Ende weiter und war damit sehr erfolgreich.